Spätestens seit EuGH (2019) und BAG (2022) ist klar: Arbeitszeit muss in Deutschland vollständig dokumentiert werden – Formvorgaben (z. B. digitale Pflicht) werden schrittweise konkretisiert. Für Unternehmen heißt das: Eine moderne Zeiterfassung HR-Software ist nicht nur Absicherung gegen Risiken, sondern ein Produktivitätshebel für Planung, Payroll und Compliance. In diesem Leitfaden klären wir die Zeiterfassungspflicht, zeigen die wichtigsten Funktionen einer HR-Software Arbeitszeiterfassung und liefern Best Practices für Rollout, Integrationen und KPIs. Ein Überblick zu Modulen findest du im HR-Software-Funktionskatalog sowie in unserem Deep-Dive zu Zeit- & Abwesenheitsplanung.
Pflichtteil: Was bedeutet die Zeiterfassungspflicht (2025) konkret?
Der Europäische Gerichtshof hat 2019 (C-55/18) entschieden, dass Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Messung der täglichen Arbeitszeit einzurichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 2022 (1 ABR 22/21) klargestellt, dass in Deutschland bereits heute die gesamte Arbeitszeit aufzuzeichnen ist – gestützt auf eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Formvorgaben (z. B. zwingend elektronisch) sind im laufenden Gesetzgebungsprozess; aktuell ist die Art der Aufzeichnung frei (auch papierbasiert), solange sie die Schutzziele erfüllt. :contentReference[oaicite:0]{index=0}
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hält in seinen FAQs (Stand: 8. August 2025) fest: Arbeitgeber müssen heute die gesamte Arbeitszeit aufzeichnen; Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich, aber die Dokumentation ist dennoch erforderlich. Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, die Pflicht perspektivisch als elektronische Aufzeichnung im Arbeitszeitgesetz auszugestalten – Details folgen gesetzlich. :contentReference[oaicite:1]{index=1}
Zusätzlich gilt in bestimmten Branchen und bei Minijobs eine Dokumentationspflicht nach MiLoG (Beginn, Ende, Dauer) mit Frist „spätestens innerhalb von sieben Tagen“ und mindestens zweijähriger Aufbewahrung. :contentReference[oaicite:2]{index=2}
Was heißt das für deine Toolauswahl?
- Nachweisfähigkeit: Erfassung von Beginn/Ende (und damit Dauer) je Tag; Berichte für Aufsichtsbehörden und interne Prüfungen.
- Systemeigenschaften: Objektiv (falschsichere Daten), verlässlich (vollständig, manipulationsarm), zugänglich (einfach nutzbar, auswertbar). :contentReference[oaicite:3]{index=3}
- Formfreiheit (heute) vs. Digitalisierung (morgen): Jetzt digital denken, um den erwarteten elektronischen Standard ohne Hektik zu erreichen. :contentReference[oaicite:4]{index=4}
Die Kür: Welche Mehrwerte gute HR-Software Arbeitszeiterfassung liefert
Pflicht erfüllt – und dann? Die besten Lösungen gehen weit über die reine Stempel- oder Formularlogik hinaus. Sie verbinden Zeiterfassung mit Schichtplanung, Abwesenheit, Projekten und Payroll, reduzieren manuelle Korrekturen und liefern Echtzeitdaten für Führung & Controlling. Aus Compliance wird so Produktivität.
- Zero-Friction-Erfassung: Mobile App, Terminal/Kiosk, Browser, API – passend zum Arbeitsplatz (Produktion, Shopfloor, Büro, Außendienst).
- Regelwerke & Ampeln: Automatische Prüflogik zu Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten, Pausen; Live-Warnungen statt Retro-Korrekturen.
- Schicht & Einsatzplanung: Abgleich mit Verfügbarkeiten, Qualifikationen, Betriebsrat-Regeln; Zuschläge automatisch.
- Self-Service & Freigaben: Korrekturanträge, Überstundenfreigaben, Abwesenheiten; klare SLA-Eskalationen.
- Payroll-Ready: Monatsabschlüsse in Stunden statt Tagen; Delta-Exporte (z. B. an Lohnprogramme) mit Protokollen.
- Analytics: Überstunden, Auslastung, Fehlzeiten, Plan/Ist; BI-Feeds und Standard-Dashboards.
Wie Zeit/Abwesenheit in HR-Software zusammenspielen, zeigt unser Beitrag zu Zeit & Abwesenheit. Für die sichere Übergabe in die Entgeltabrechnung: Payroll in HR-Software.
Tabelle: Funktionen der Zeiterfassung HR-Software & ihr Nutzen
Die wichtigsten Bausteine auf einen Blick – und welche Wirkung du messen kannst.
Funktion | Nutzen | Beispiel-KPIs |
---|---|---|
Multi-Channel-Erfassung (App, Terminal, Web) | Hohe Adoption in allen Arbeitsmodellen | Stempelquote, Korrekturquote |
Regelwerke & Compliance-Ampel | Weniger Verstöße, weniger Nacharbeit | Verstoßrate ArbZG, Anzahl Eskalationen |
Schichtplanung & Zuschläge | Plan/Ist-Deckung, korrekte Zuschläge | Planabweichung, Zuschlagsfehlerquote |
Abwesenheiten & Anträge | Self-Service, schnellere Freigaben | Durchlaufzeit, NPS Team |
Payroll-Exports + Protokolle | „First-time-right“ in der Abrechnung | Fehlerquote, Abschlussdauer |
Dashboards & BI-Feeds | Transparenz, Steuerung | Nutzung Dashboards, Report-Latency |
Rollen & Rechte (RBAC) | Datenschutzkonform, revisionssicher | Audit-Findings, Rechte-Reviews |
Integrationsmatrix: HR, Payroll, IT & Recht
Erst im Verbund mit Core-HR, Payroll, Identity und Collaboration entfaltet eine HR-Software Arbeitszeiterfassung ihren vollen Wert.
System | Schnittstellen | Zweck | Hinweise |
---|---|---|---|
Core-HR | REST/Webhooks | Stammdaten, Kostenstellen, Rollen | Single Source of Truth, On/Offboarding |
Payroll | CSV/JSON-Delta, Protokolle | Monatsabschluss, Korrekturen | Stichtage, Prüfprotokolle |
Identity/SSO | SAML/OIDC, SCIM | Zugänge, Gruppen, Standortprofile | Least-Privilege, Offboarding |
Collaboration | Graph/SMTP, Teams/Slack | Benachrichtigungen, Genehmigungen | Vorlagen, mehrsprachig |
BI/Controlling | Exporte, Datafeeds | Reports, Forecasts | Semantik & Qualität |
Für das Zusammenspiel der Funktionsbereiche lohnt der Blick auf den HR-Software-Funktionsüberblick sowie den Praxisbeitrag Payroll in HR-Software.
Szenarien: Office, Schicht, Außendienst, Remote
Office & Hybrid
Browser- und Mobile-Erfassung mit Erinnerungen, Self-Service-Korrekturen und klaren Freigaben. Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich, die Zeiterfassungspflicht gilt dennoch – inkl. Ruhezeiten/Höchstarbeitszeit. :contentReference[oaicite:5]{index=5}
Schicht & Produktion
Terminals/Kiosk, Ausfallszenarien (Offline), Schichtwechsel-Logik, Zuschlagsberechnung und Werkszugang (Badge) kombiniert. Klares Rollenmodell für Vorarbeiter:innen und HR.
Außendienst & Service
Mobile-first mit Geofence-Optionen (nur, wo rechtlich und betrieblich abgestimmt), Pausen-Splits und Projekterfassung. Aufdringliche Standortüberwachung vermeiden – Datenschutz & Mitbestimmung beachten.
Remote & Homeoffice
Einfacher Stempel via App/Web, Erinnerungen bei langen Sessions, Regelwerksampel für Pausen. BMAS betont: Arbeitszeitvorgaben gelten unabhängig vom Arbeitsort. :contentReference[oaicite:6]{index=6}
Einführung & Change: Von Pilot zu flächendeckend
- Scoping: Rollen, Standorte, Arbeitsmodelle (Schicht, Außendienst, Hybrid), gesetzliche Anforderungen (ArbZG, BAG/EuGH, ggf. MiLoG-Sektoren). :contentReference[oaicite:7]{index=7}
- Prozesse & Regeln: Pausen, Ruhezeiten, Überstunden, Korrekturen, Delegation/Vertretung, Nachweispflichten.
- Technik & Integrationen: SSO/MFA, SCIM, Payroll-Exporte, BI-Feeds, Terminal-Hardware.
- Pilot: 1–2 Werke/Teams, echte Schichtpläne, harte Ziele (z. B. <1 % Exportfehler, 95 % Stempelquote).
- Rollout: Enablement-Paket (Videos, Quick-Guides), Champions, wöchentliche KPI-Reviews.
- Audit-Readiness: Reports, Protokolle, Berechtigungs-Reviews, Notfallpläne.
Hilfreiche Lektüre zu Projektrollen und Einführungsfahrplan: Rollen in HR-Projekten und HR-Software-Einführung: Die ersten 100 Tage.
KPIs & Audits: Messen, reporten, nachweisen
- Adoption: Stempelquote (% Mitarbeitende mit vollständigen Einträgen/Tag), Anteil mobile vs. Terminal.
- Qualität: Korrekturquote, Anzahl Regelverstoß-Warnungen pro 100 MA, Nachbearbeitungszeit.
- Payroll Readiness: Exportfehlerquote, Abschlussdauer (Tage→Stunden), Korrekturläufe.
- Compliance: Audit-Findings, DSAR- und Auskunftsdauer, Rechte-Review-Treffer.
- Produktivität: Plan/Ist-Abweichung in Schichten, Überstundenentwicklung, Krankheitsquoten-Trend.
Für Reporting-Setups und BI-Feeding: People Analytics: Von Rohdaten zu Entscheidungen.
Datenschutz, Betriebsrat & Richtlinien
Zeiterfassung betrifft Schutzbedarfe und Mitbestimmung. Setze auf Datenminimierung, klare Zwecke, RBAC, Logging und verständliche Richtlinien. Die Einführung elektronischer Systeme ist mitbestimmungspflichtig, wenn es Regelungsspielraum gibt; die grundsätzliche Pflicht zur Erfassung ergibt sich bereits aus dem Gesetz (BAG 13.09.2022). :contentReference[oaicite:8]{index=8}
In MiLoG-relevanten Bereichen müssen Arbeitszeiten zeitnah dokumentiert und (derzeit) mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden – beachte die branchenspezifischen Pflichten und Prüfbehörden. :contentReference[oaicite:9]{index=9}
Mehr zum Datenschutzrahmen in HR-Systemen findest du im Beitrag HR-Software & Datenschutz (DSGVO-konform).
Nächste Schritte & Ressourcen
Wenn du die passenden Zeiterfassungsfunktionen für dein Unternehmen evaluierst, starte mit einer strukturierten Longlist (Use Cases, Arbeitsmodelle, Integrationen) und prüfe in Demos echte End-to-End-Szenarien: Stempel → Regelprüfung → Freigabe → Payroll-Export → Audit-Report. Hilfreich: HR-Software-Funktionen, Zeit & Abwesenheit, Payroll und Demos richtig nutzen.
Externe Referenzen: EuGH C-55/18 – Pressemitteilung, BAG PM 13.09.2022, BMAS-FAQ Arbeitszeiterfassung (08/2025), BMAS: Dokumentationspflicht (MiLoG).
FAQ
Gilt die Zeiterfassungspflicht wirklich für alle?
Ja. Nach BAG (13.09.2022) ist die gesamte Arbeitszeit zu erfassen – unabhängig vom Arbeitsort. Vertrauensarbeitszeit ist weiterhin möglich, jedoch nicht ohne Dokumentation. :contentReference[oaicite:10]{index=10}
Muss die Erfassung 2025 schon elektronisch sein?
Derzeit gibt es keine allgemeine gesetzliche Formvorgabe – die Dokumentation kann auch händisch erfolgen. Die Bundesregierung hat sich aber darauf verständigt, die Pflicht künftig elektronisch im ArbZG auszugestalten. Unternehmen sollten die Digitalisierung jetzt vorbereiten. :contentReference[oaicite:11]{index=11}
Was sind die Mindestinhalte der Aufzeichnung?
Beginn, Ende und daraus resultierende Dauer der täglichen Arbeitszeit – das folgt aus EuGH-Anforderungen an ein objektives, verlässliches, zugängliches System sowie aus der MiLoG-Dokumentationspflicht in bestimmten Bereichen. :contentReference[oaicite:12]{index=12}
Wie lange müssen Nachweise aufbewahrt werden (MiLoG)?
In den MiLoG-pflichtigen Fällen sind die Aufzeichnungen spätestens innerhalb von sieben Tagen zu erstellen und mindestens zwei Jahre aufzubewahren. :contentReference[oaicite:13]{index=13}
Welche HR-Links helfen bei Auswahl & Einführung?
Für Funktionen, Projektrollen und Einführungsfahrpläne: Funktionen, Zeit & Abwesenheit, Payroll, Datenschutz.